Bist du schon mal durch die Straßen gelaufen und hast etwas Glitzerndes auf dem Boden gesehen? Wenn es so eine kleine, 10×10 cm große Messingplatte war, auf der ein Name und ein paar Daten standen, dann hast du wahrscheinlich einen Stolperstein gefunden. Aber was ist ein Stolperstein? Diese kleinen Tafeln auf dem Boden sollen uns an die Menschen erinnern, die während des Zweiten Weltkriegs von den Nazis verfolgt, ermordet, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden. 1992 hat der Künstler Gunter Demnig die Idee für die Stolpersteine ins Leben gerufen und bis heute werden sie verlegt. Überall in Deutschland gibt es mittlerweile über 75.000 Stolpersteine. Auch in Bremerhaven wurden schon 136 Stolpersteine verlegt und am 01. Oktober 2024 kommen noch weitere dazu, unter anderem für die Familie Heine in der Weserstraße 41.
Bei dieser Verlegung am 01. Oktober 2024 waren unter anderen die Paten des Stolpersteins (Herr Baumgardt, Herr und Frau Kramer) sowie viele Interessierte anwesend. Der Kulturdezernent Herr Frost hat bei der Verlegung ein paar einleitende Worte gesagt, u.a. dass Demokratie durch Demokraten lebt und nur abgeschafft werden kann, wenn niemand mehr Demokratie will.
Wir, die Klasse Grün F von der Paula-Modersohn-Schule, haben uns genauer mit der Familie beschäftigt und dazu auch im Stadtarchiv Bremerhaven geforscht. Außerdem haben wir zusätzlich noch Unterlagen aus dem Staatsarchiv Bremen bekommen. Durch die alten Dokumente haben wir die Mitglieder der Familie Heine und die Zeit, in der sie lebten, ziemlich gut kennen gelernt.
In der Weserstraße 41 in Wulsdorf lebten am Anfang des 20. Jahrhunderts der Schlachtermeister Leopold Heine (geb. 1873) mit seiner Frau Frieda (geb. 1881) und ihren Söhnen Walter (geb. 1905) und Erwin (geb. 1908) wie eine ganz normale Familie zu der Zeit. Sie erlebten den 1. Weltkrieg, das Ende des Kaiserreichs, die galloppierende Inflation in der Weimarer Republik. 1923 starb Leopold, 1926 auch sein Sohn Erwin. Frieda stellte einen Schlachtermeister ein und führte das Geschäft weiter. Walter machte nach der Schule eine kaufmännische Ausbildung und blieb auch danach noch bei der Firma Henry Liebmann & Co., dem Manufakturwarengeschäft in der Georgstraße. In der Weimarer Republik waren sie Deutsche mit israelitischer Religion, doch mit der Machtübernahme der Nazis 1933 änderte sich ihre Situation dramatisch: Sie wurden quasi staatenlos und wurden auf ihre Religion reduziert. Nach dem Boykott der jüdischen Geschäfte wurde Walter zunächst arbeitslos, bekam aber dann eine neue Anstellung im Kaufhaus Schocken. Später kam er wegen Rassenschande ins Gefängnis in Lehe, denn er hatte sich in eine Arierin verliebt. Anschließend bekam er seine Anstellung im Kaufhaus Schocken nicht wieder und machte sich 1935 mit einer Handelsvertretung für Fensterrollos selbstständig, bis er dies 1938 auch nicht mehr ausüben durfte. Er kam für einige Wochen aus nicht bekannten Gründen ins KZ Sachsenhausen. Danach arbeitete er als Lager- und Bauarbeiter bei der Firma Kistner, Mund und Vahlsing in Geestemünde. 1941 beschlossen die Heines Deutschland zu verlassen. Nach einer mühsamen Flucht über Frankreich, Spanien und Portugal trafen sie in Lissabon auf Miss Mary J. Dreier, die ihnen half, nach Amerika zu gelangen. Ab 1943 lebten Frieda und Walter in Roxbury, Massachusetts, wo Walter als Fabrikarbeiter arbeitete. 1952 heiratete er seine Frau Frances. Sie hatten keine gemeinsamen Kinder, aber Frances brachte welche aus ihrer ersten Ehe mit. Frieda starb 1959 an einem Gallenblasendurchbruch, Walter folgte ihr 1965 aufgrund einer Herzkrankheit.
Bei der Verlegung haben wir, die Grün F, eine szenische Darstellung in Form eines Interviews aufgeführt, in dem Frieda und Walter Heine über ihre Geschichte informiert haben. Anschließend wurden die Stolpersteine verlegt und gelbe Rosen zum Gedenken niedergelegt.
Sophia Heyse, GRÜN f