Pädagogisches Konzept der Paula-Modersohn-Schule

unter besonderer Berücksichtigung des gemeinsamen Unterrichts von behinderten und nichtbehinderten Schülerinnen und Schülern

Bezug: § 18 (1) der Verordnung über die Aufnahme von Schülerinnen und Schülern in öffentliche allgemeinbildende Schulen

Vorbemerkung

2007 startete an der Paula-Modersohn-Schule („Paula“) der Entwicklungsprozess zur Individualisierung des Unterrichts. Eine Gruppe von Lehrkräften begann mit Kompetenzrastern zu experimentieren und entwickelte eine darauf aufbauende Vision einer schülergerechteren Schule. Früh wurde deutlich, dass der eingeschlagene Weg nicht nur den Unterricht, sondern auch die Lehrerarbeit verändert. In einer Schule mit individualisierendem Unterrichtskonzept kann die Unterrichtsstunde nicht länger ein Unikat sein. Es kann sich auch nicht um eine Summe von Einzelstunden handeln, die in einem wie auch immer gearteten Team entstehen. Die Lehrerarbeit entwickelt sich gezwungenermaßen von der individuellen Handwerksarbeit zur arbeitsteiligen Manufakturarbeit weiter.

Mit den Bremer Schulgesetzen von 2009 und der „Verordnung über die Sekundarstufe I der Oberschule“ erteilte der Gesetzgeber einen um den allumfassenden Aspekt der Inklusion erweiterten Auftrag. Mit dem Schuljahre 2011/2012 führte die „Paula“ ein neues pädagogisches Konzept ein, um dem gesetzlichen Auftrag gerecht zu werden. Dieses Konzept beruht auf vier Grundsätzen:

  • Inklusion wird als Auftrag verstanden, in jeder Schülerin und jedem Schüler die besondere und einmalige Person zu erkennen.
  • Konstituierend ist die Schaffung eines anregungsreichen Milieus durch jahrgangsübergreifenden Unterricht.
  • Die Veränderung der Schule ist eine Einladung zur Beteiligung und erfordert Möglichkeiten und Angebote zur Partizipation.
  • Veränderte schulische Anforderungen gebieten ein umfassendes und erweitertes Verständnis von Teamarbeit in heterogenen Schulteams (Regel- und Sonderschul-lehrkräfte, Kinderpfleger*innen, Sozialpädagogen, Assistenten …).

2008 wurde von der Mehrheit der in der Bürgerschaft vertretenen Parteien der „Bremer Schulfrieden“ beschlossen. So sollte eine politische Bestandsgarantie für das neu aufzubauende Schulwesen geschaffen werden, unabhängig von möglichen Wechseln in der Regierungsverantwortung. Dieser Schulfrieden wurde 2018 für weitere 10 Jahre verlängert. Generell sprechen Experten aus dem Bereich des Change-Managements davon, dass der Zeitbedarf für eine Neuerung, bis sie als „üblich“ im Alltag angekommen ist, etwa 40 Jahre beträgt. Die „Paula“ ist, trotz ihrer erheblichen Anstrengungen, noch weit davon entfernt, ein vollständig entwickeltes inklusives Schulsystem zu repräsentieren. Tatsächlich endet mit dem Abschlussjahrgang 2019/20 erst der Aufbau dessen, was vor fast 10 Jahren als Idee von der „Neuen Paula“ begann. Mit dem Schuljahr 2020/21 tritt die „Paula“ in eine Phase der Konsolidierung und gezielten Qualitätsverbesserung ein. Das nachfolgend dargelegte Konzept beschreibt den Entwicklungsstand der „Paula“ zu Beginn des Schuljahres 2019/20.

Das Inklusionsverständnis der „Paula“

Inklusion ist der am meisten falsch verstandene Begriff in der neueren pädagogischen Diskussion. Mit diesem Begriff ist nicht gemeint, dass man Menschen mit besonderen Förderbedarfen den Zutritt zur allgemeinen Schule erlaubt, sondern die allseitige Förderung aller Kinder. Im Bericht der Expertengruppe zur Evaluation der Bremer Schulreform von 2018 wird zwischen einem engen und einem weiten Inklusionsverständnis unterschieden. Die „Paula“ gehört zu den Oberschulen im Land Bremen, die  sich an einem weiten, auf unterschiedliche Problemlagen bezogenen Inklusionsbegriff orientieren. In einer Oberschule mit einem weiten Inklusionsverständnis wird die Förderung aller Schüler*innen als gemeinsame Aufgabe aller pädagogischen Lehr- und Fachkräfte angenommen. Inklusion wird als Auftrag verstanden, jedes Kind als besonderes und einmaliges Kind wahrzunehmen und unterrichtlich zu unterstützen. Für jedes Mitglied der Schulgemeinschaft der „Paula“ soll das Recht gelten, ohne Angst verschieden sein zu dürfen.

Rahmendaten zum schulischen Umfeld

Die „Paula“ liegt im Bremerhavener Stadtteil Wulsdorf, der im Süden der Stadt liegt. Wulsdorf besteht aus den Ortsteilen Jedutenberg und Dreibergen. Ein großer Teil der Schülerschaft wohnt im Stadtteil Wulsdorf, durch die freie Schulanwahl kommen aber auch Kinder aus anderen Stadtteilen dazu. Im Einschulungsjahrgang 2017 wurden Schüler*innen aus 11 verschiedenen Grundschulen aufgenommen. Knapp die Hälfte der Kinder besuchte vorher die benachbarte Altwulsdorfer Grundschule.

Die Stadt Bremerhaven zeichnet sich insgesamt durch eine schwache Sozialstruktur aus. Die Arbeitslosigkeit lag im Juli 2018 bei 12,7%, die Überschuldungsquote bei 16,2%.

Der Strukturdatenatlas der Stadt Bremerhaven von 2017 gibt darüber Auskunft, dass in Wulsdorf 16% der Bevölkerung eine ausländische Staatsangehörigkeit (v.a. Türkei, Portugal, Syrien, Bulgarien) besitzt, wobei im Ortsteil Dreibergen dieser Anteil bei 22,4% und im Ortsteil Jedutenberg bei 6,7% liegt. Der Anteil der Einwohner mit Migrationshintergrund aber deutscher Staatsangehörigkeit ist nicht bekannt, liegt aber vermutlich deutlich höher. Die durchschnittliche Kaufkraft liegt in Dreibergen bei 37.585 € jährlich und im Jedutenberg bei 41.944 €. Der Cito-Test, der 1 Jahr vor der Einschulung die Sprachfähigkeit und den Förderbedarf der Kinder überprüft, hat ergeben, dass es in Wulsdorf einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Kindern mit einem Sprachförderbedarf gibt im Vergleich zum Stadtdurchschnitt, besonders im Ortsteil Dreibergen.

Rahmendaten zur Schülerschaft

Für das Schuljahr 2017/18 lassen sich folgende Aussagen treffen:

Gesamtanzahl der Schülerinnen und Schüler514
Anzahl der Jungen265
Anzahl der Mädchen249
Anzahl der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund210

Schüler*innen mit Förderbedarfen im Bereich Wahrnehmung und Entwicklung (W+E) oder im Bereich Lernen werden vom Schulträger erfasst und nach festgelegten Regeln auf die Schulen verteilt. Sie bleiben in der jeweiligen Kategorie von Förderbedarf, auch wenn über weitere Bedarfe verfügen, z.B. im Bereich der Autismusspektrumstörung (ASS), Auditiver Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung (AVWS) oder wegen schwerer Mehrfachbehinderung.

Außerdem werden Schüler*innen unterrichtet, die zwar Förderbedarfe haben, aber nicht unter die beiden oben genannten Gruppen fallen. Dazu zählen z.B. Kinder und Jugendliche mit Sehbehinderung, ASS, AVWS, fetalem Alkoholsyndrom und Mutismus, sofern kein kombinierter Förderbedarf besteht. In der Stadt Bremerhaven erfolgt in der Regel keine Ausweisung eines Förderbedarfs im Bereich „Emotionale und soziale Entwicklung“. Dennoch sind auch Kinder und Jugendliche an der Schule, die in diesem Bereich Auffälligkeiten zeigen. Zur Erfassung des Umfangs an notwendiger besonderer Förderung zählen aktuell an der „Paula“ auch die Schüler*innen dazu, die sich im ersten Jahr der „Deutsch als Zweitsprache“-Förderung befinden. Von den 514 Schüler*innen haben 395 (77%) keinen ausgewiesenen Förderbedarf nach den o.g. Kriterien, 119 Schüler*innen (23%) haben mindestens einen der genannten Förderbedarfe. Dies zeigt einen sehr deutlichen Unterschied zur Integrierten Gesamtschule auf, die die „Paula“ bis zum Schuljahr 2010/11 war.

Das Schul- und Inklusionskonzept der „Paula“

Organisation der „Paula“ als jahrgangsübergreifender Schule

Im Zentrum der pädagogischen Überlegung steht, dass Vielfalt die Lösung und nicht das Problem ist. Ein Kernstück des Gesamtkonzepts ist daher die Entscheidung für die Arbeit mit jahrgangsübergreifenden Klassenverbänden, in denen jeweils drei Lernjahre (5, 6, 7 und 8, 9, 10) zusammengefasst werden. Dem liegt die Überzeugung zu Grunde, dass diese Mischung: „ein Jahr kommen, ein Jahr stehen, ein Jahr gehen“ bei einer sich über 6 Lernjahre erstreckenden Schulstufe die optimale Variante ist.

Die Lernjahre 5 – 7 verbringen alle Schüler*innen im „Haus der Kindheit“. Für die Lernjahre 8 – 10 rücken die Jugendlichen in das „Haus der Jugend“ auf. Die „Paula“ hat in jedem Haus 12 altersgemischte Klassenverbände. Um die Häuser in sinnvolle organisatorische Einheiten zu gliedern, wurde der Begriff der (das Haus stützenden) „Säule“ gewählt. Jeweils 3 Klassen bilden eine „Säule“.

Um die neue schulische Arbeit auch mit neuen Bildern im Kopf zu verknüpfen, wurden die Säulen nach Farben benannt. So ist es auch möglich, die Verbindung zwischen den Häusern deutlich zu machen, da die Schüler*innen ihre schulische Karriere innerhalb einer Säule vollziehen.

Pädagogische Ziele jahrgangsübergreifender Arbeit

Ausgangspunkt der Überlegungen war und ist, dass die Vorstellung von Homogenität in Jahrgangsklassen ein Mythos ist. Alter, Intelligenz, Vorwissen, kulturelle Herkunft, Aktivierbarkeit usw. machen auch vermeintlich homogene Klassen zu einem Gemisch sich vielfältig unterscheidender Menschen. Die Einführung von jahrgangsübergreifenden Klassen trägt der Lebenswirklichkeit nur verstärkt Rechnung und fordert die Lehrkräfte auf, bewusster mit dieser Realität umzugehen. Ziel der Schule ist es, die durch die Jahrgangsmischung gewachsene Heterogenität in verschiedener Weise als Ressource zu nutzen.

Jahrgangsübergreifende Klassen erschweren die Festschreibung von Rollen. Auch die/der „beste“ Schüler/in muss zumindest in der Anfangszeit Hilfen annehmen lernen. Selbst sehr leistungsschwache Mitglieder einer Klassengemeinschaft können sich selber als unterstützend und helfend wahrnehmen. Allein schon durch die unterschiedlichen Lernjahre ist es normal, dass jeder nach seinem persönlichen Leistungs-vermögen arbeitet.

Da von Anfang an die Leistungsdifferenzen innerhalb der Klasse bekannt und aufgrund der unterschiedlichen Lernjahre unbestreitbar sind, gibt es nur eine geringe konkurrierende Vergleichbarkeit auf der Ebene des Lernstoffs unter den Schüler*innen. Gleichzeitig sagt die Zugehörigkeit zu einem Lernjahr nichts über das persönliche Leistungsvermögen aus. Dies ist jedoch der Ansatzpunkt der inklusiven Arbeit, deren Ziel die persönlich größtmöglichen Lernfortschritte sein sollen. Sowohl die Lernzeitverkürzung als auch eine Verlängerung der Lernzeit ist in der traditionellen Jahrgangsschule immer mit dem Wechsel des Klassenverbandes verbunden. Traditionell war der Verlust des gewohnten Klassenverbandes ein Element, das leistungsstärkere Schüler*innen vom Vorrücken abgehalten hat. Dies ist in der jahrgangsgemischten Klasse anders, da immer ein Teil der bekannten Schüler*innen mit geht bzw. bleibt.

Die Sekundarstufe I ist geprägt durch die Adoleszenz. Sich selbst finden ist ein zentrales Element, das je nach Alter und Jahrgangsstufe unterschiedliche Aus-prägungen und Bedeutung hat. Auch hier wirkt die Erhöhung der Heterogenität positiv, in dem sie aktiv junge Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen zusammen bringt und damit eher die Lebenswirklichkeit abbildet. Pubertäre Krisen sind immer nur Probleme eines Teils der Schülerschaft einer Klasse und die sozialen Beziehungen zu unterschiedlich alten Klassenkameraden tragen zur Förderung von sozialen Verhalten und kooperativen Einstellungen bei.

Insbesondere im „Haus der Jugend“ ist das Leben der ältesten Schüler*innen durch die große Nähe des Schulabschlusses geprägt. Dies nutzen wir, um den jüngeren Mit-gliedern der Klassengemeinschaft die Bedeutung der schulischen Arbeit und ihre Bedeutung für die Zeit nach der Schule besser vermitteln zu können.

Individualisierung als Grundprinzip des Unterrichts

Ein Kernelement für die Individualisierung des Unterrichts ist die Arbeit mit Kompetenz- oder Themenrastern. In den Kernfächern wird mit Kompetenzrastern gearbeitet. Die Raster sind gleichzeitig die kollektiven Organisatoren des Arbeitsprozesses innerhalb eines Faches und innerhalb der Schule. Über das jeweilige Kompetenzraster werden individualisierte Teilaufgaben definiert. Diese Teilaufgaben werden in „Checklisten“ weiter ausformuliert und mit Lernangeboten unterfüttert. Diese individuellen Lernangebote müssen für die Lernenden so aufbereitet sein, dass sie damit auch Arbeiten und Lernfortschritte erzielen können. Dabei handelt es sich um ein nicht käuflich erwerbbares hochdifferenziert aufbereitetes Unterrichtskonzept.

Mithilfe ihrer Checkliste wählen die Kinder und Jugendlichen, unterstützt und beraten durch Lehrkräfte, geeignetes Material und melden sich zum Lernnachweis, wenn sie sich ausreichend vorbereitet haben. In halbjährlichen Lernverträgen zwischen Schüler*innen, Lehrkräften und Eltern werden die nächsten Lernschritte geplant und die Anzahl der zu erreichenden Lernnachweise vereinbart. Erfolge werden im Kompetenzraster dokumentiert und sichtbar gemacht. Die Arbeit im Kompetenzrasterband als Form der Individualisierung zieht sich durch die gesamte Schullaufbahn.

Da es im „Haus der Kindheit“ vier Kompetenzrasterblöcke für drei Fächer gibt, wird mit dem „Wahl-KR“ zusätzlich eine Individualisierung der Lernzeit ermöglicht. Die Schüler*innen können einmal je Woche nach individuellen Gesichtspunkten entscheiden, in welchem Kernfach sie die zwei Zusatzstunden absolvieren möchten.

Das Kompetenzraster sichert auch die Verzahnung der individuellen Arbeit mit der Arbeit in den Kompaktkursen, wo der Unterricht von Schüler*innen des gleichen Lernjahres am gemeinsamen Unterrichtsgegenstand stattfindet. Hier werden die Themen des Bildungsplanes in systematischer Form und in einem von der Fachkonferenz beschlossenen Ablauf vermittelt. Dazu werden die drei Kernfächer an drei Tagen jeweils 1 Doppelstunde innerhalb der Säule unterrichtet. Erst im „Haus der Jugend“ werden diese Lerngruppen durch die Einteilung in Erweiterungs- und Grundkurse weniger heterogen.

Ein Baustein für Differenzierungsangebote bezogen auf leistungsstarke Schüler*innen ist der Talentpool. Schüler*innen, die besonders leicht lernen und begreifen, wird die Möglichkeit gegeben, in einem schnelleren Lerntempo die Schulzeit zu durchschreiten. Diese Schüler*innen verlassen die Schule jedoch nur mit erfolgreich bestandener Abschlussprüfung und Versetzung in die GyO. Besonders ist, dass diese Schüler*innen keinen zusätzlichen Unterricht erhalten, sondern die vorhandene Lernzeit intensiver und effektiver nutzen. Über die individuellen Lernverträge kann ein „Vorauslernen“ organisiert werden. Mit der Aufnahme der Kinder in den Talentpool muss jedoch nicht zwangsläufig die Verkürzung der Schulzeit einhergehen. Sie können sich auch weiterhin für den sechsjährigen Verbleib entscheiden.

Ein weiteres Differenzierungsangebot sind die sogenannten „Lesestarter-Kurse“. Nicht alle Schüler*innen, auch nicht alle „Regelschüler*innen“, wechseln aus der Grund-schule ausreichend alphabetisiert in die Sekundarstufe I. In diesen Kursen werden die Kinder in Kleingruppen beim Lesen-Lernen unterstützt, sodass auch sie ihre Potentiale besser entwickeln und entfalten können. Des Weiteren gibt es im „Haus der Kindheit“ Kurse zur Lese-Rechtschreibförderung.

Inklusives Raumkonzept

Die veränderten Arbeitsweisen nötigen zu einer neuen Sicht auf Raum und Struktur der Schule. In der Vorbereitung des Umgestaltungsprozesses wurde unter den Beteiligten (Schule, Schulamt, Seestadt Immobilien) abgestimmt, dass die Schule trotz gestiegener Raumbedarfe statt wie ursprünglich geplant dreizügig zu werden zukünftig vierzügig bleibt. Die zusätzliche Herausforderung besteht darin, bei gleichbleibender Bewirtschaftungsfläche eine erheblich höhere pädagogische Nutzbarkeit der vorhandenen Flächen zu erreichen. Dazu finden seit dem Schuljahr 2010/11 kontinuierlich verschiedene schulinterne Arbeitstreffen und Workshops statt, u.a. unter Einbeziehung des „Design Labors Bremerhaven“, Schulentwicklungsberatern und dem Beratungsunternehmen „LernLandSchaften“ aus Röckingen, Bayern.

In der inklusiven Schule müssen sich die Lernflächen von Instruktionsräumen zu vielfältig nutzbaren Zonen des Lernens und Lehrens verändern. Grundlage für die Umsetzung ist ein „Zonierungskonzept“. In jedem Haus sind 12 extrem heterogene Klassenverbände unterzubringen, deren unterschiedliche Bedürfnisse beachtet werden müssen. Als Prinzip gilt: Eine Klasse – ein Klassenraum. Dies bedeutet, dass auf die Einrichtung von Kooperationsklassenräumen verzichtet wird, wie sie für die Unterrichtung von Schüler*innen mit Förderbedarf im Bereich W+E in Bremerhaven typisch sind. Dieser Verzicht wird durch die Schaffung von spezifischen pädagogischen Zonen teilweise kompensiert. Dabei soll jede Veränderung zu einem höheren pädagogischen Nutzen für alle beitragen. Alle neuen bzw. veränderten Räume sind auf das pädagogische Konzept der „Paula“ abgestimmt und bis ins Detail durchgeplant, inklusive ihrer besonderen Möblierung. Für besondere Räume wurde als Nutzungsgrundsatz festgelegt: „Höchster Bedarf – erster Zugriff“. Trotz der Anstrengungen der letzten 10 Jahre ist der bauliche Umgestaltungsprozess noch immer nicht abgeschlossen.

Zusammenstellung der Klassenverbände

Die jährlich neu aufzunehmenden Schüler:innen werden auf die 12 jahrgangs-übergreifenden Klassen im „Haus der Kindheit“ verteilt. Die Zusammensetzung der Klassen unterliegt dem Ziel, möglichst heterogene Lerngruppen zu schaffen. Daher findet eine gleichmäßige Verteilung der Schüler:innen mit sonderpädagogischen Förderbedarfen auf alle Klassenverbände statt. Bei der Verteilung werden folgende Kriterien beachtet:

  • gleichmäßige Verteilung der Kinder mit Leistungen über dem Regelstand;
  • gleichmäßige Verteilung der Kinder mit dem Förderbedarf Lernen;
  • Zuordnung der Kinder mit dem Förderbedarf „Hören“ zur Säule Blau;
  • Zuordnung der Kinder mit dem Förderbedarf W+E (s.u.);
  • gleichmäßige Verteilung der Kinder, die temporär die DAZ-Fördergruppe besuchen;
  • etwa gleichmäßige Verteilung der drei Lernjahre in einer Klasse;
  • etwa gleichmäßige Verteilung von Jungen und Mädchen in einer Klasse;
  • gleichmäßige Verteilung der Kinder mit einer persönlichen Assistenz.
  • Gleichmäßige Verteilung von Kindern mit einer Autismus Spektrums Störung (ASS).

Daraus ergibt sich, dass in jedem Klassenverband eine inklusive Beschulung von Regelschüler:innen und Schüler:innen mit sonderpädagogischen Förderbedarfen in den Bereichen Lernen, Sprache und sozial-emotionale Entwicklung erfolgt. Jedem Klassenverband werden maximal zwei Schüler:innen mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf in den Bereichen Lernen, Sprache und sozial-emotionale Entwicklung zugeordnet. Die Säule BLAU, der Kinder mit Förderbedarfen im Bereich „Hören“ zugeordnet werden, nimmt außerdem bevorzugt Schüler*innen mit einer Auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung (AVWS) auf. Die inklusive Beschulung erfordert eine Reduzierung der Regelklassengröße von 25 Schüler:innen um zwei Plätze. Die reduzierte Regelklassengröße ist Voraussetzung dafür, jedes Kind, entsprechend seines individuellen Lernstandes, unterrichten zu können.

In den Säulen GELB, GRÜN und ROT lernen auch Kinder und Jugendlichen mit Förderbedarf im Bereich W+E. Diese Schüler*innen werden immer als Gruppe einer der genannten Klassen zugewiesen, um einer Isolation durch die Schaffung einer Peer-Group vorzubeugen. Die neuen Schüler:innen aus dieser Gruppe werden den entsprechenden Klassen in Gruppen à 2 oder 3 Kindern zugewiesen, so dass auch hier eine Altersmischung gegeben ist. Im Haus der Kindheit nehmen die Klassen ROT a, GELB b und GRÜN c Schüler:innen mit Förderbedarf W+E auf, die Beschulung wird im Haus der Jugend in den Klassen ROT d, GELB e und GRÜN f fortgesetzt.

Zur Einschulung verteilt die Jahrgangsleitung neu aufzunehmende Kinder des Lernjahres 1 nach den o.g. Kriterien auf die 4 Säulen. Die Schüler*innen rotieren in der ersten Schulwoche (Einführungswoche) durch die drei Klassen der jeweils zuge-wiesenen Säule. So lernen sie die Schüler*innen die Lernjahre 2 und 3 und die Lehr-kräfte der Säule kennen. Darüber hinaus durchlaufen alle neuen Schüler*innen in den Fächern Deutsch und Mathematik ein schriftliches schulinternes Einschätzungsver-fahren. Dabei liegt der Fokus auf der Feststellung der Lesefähigkeit und den Fertig-keiten in den Grundrechenarten. Damit ist das Ziel verbunden, dass alle Schüler*innen mit Beginn des ersten Lernjahres bestmöglich an ihrem individuellen Wissens- und Könnensstand anknüpfen können, in der Zone der nächsten Entwicklung lernen und bestmöglich gefördert werden.

Am Ende der Einführungswoche entscheiden die Lehrkräfte der Säule gemeinsam, welches Kind welcher Klasse der Säule zugeordnet wird. Auf diese Weise ist sicher-gestellt, dass die Heterogenität in allen Klassen gewährleistet ist, aber gleichzeitig die Lehrkräfte einer Säule Einfluss auf die Verteilung der Schüler*innen haben. Damit ist  auch die Zielsetzung verbunden, durch eine die jeweiligen Gruppendynamiken be-achtende Verteilung lernförderliche Gruppenkonstellation entstehen zu lassen.

Personaleinsatz in der inklusiven „Paula“

In der traditionellen „Paula“ haben die Klassenlehrkräfte ihre Klassen über 6 Lernjahre begleitet. Viele Aspekte des Unterrichts wurden von ihnen alleine verantwortet, bestimmte Unterrichtseinheiten wurden z.T. nur in langen Abständen erteilt. Durch die Arbeit in den jeweiligen Häusern wächst die Zusammenarbeit zwischen den Lehrkräften. Positive Effekte der gemeinschaftlichen Unterrichtsentwicklung können so zu einem deutlichen Qualitätsverbesserungsprozess in der Lehre beitragen.

Lehrkräfte werden einem Säulen-Team im „Haus der Kindheit“ oder „Haus der Jugend“ zugewiesen. Es wird keine Unterscheidung bezüglich der individuellen Ausbildung vorgenommen. Alle Lehrkräfte für unterstützende Pädagogik sind zugleich mit einer Regelschullehrkraft als Klassenlehrkräfte tätig. Für den Vertretungsunterricht existiert ein schulintern abgestimmtes Verfahren. Alle Lehrkräfte gehören unabhängig von ihrer Profession zwei Fachkonferenzen an, für sonderpädagogische Lehrkräfte ist „Unterstützende Pädagogik“ eine dieser beiden Fachkonferenzen.

In welchen Fächern und Gruppenkonstellationen Förderung stattfindet, wird sowohl im jeweiligen Säulenteam als auch in der Fachkonferenz „Unterstützende Pädagogik“ entschieden. Teilelemente sind konzeptionell festgelegt, so z.B. die externe Förderung in der „Mathe-Wettbewerbsgruppe“ für leistungsstarke Schüler*innen oder die „Alphabetisierungsgruppen“. Darüber hinaus haben auch die jeweils konkret zusammenarbeitenden Lehrkräfte die Möglichkeit, einen Teil der Förderung außerhalb des Klassenverbandes durchzuführen. Alle Lehrkräfte führen Pausenaufsichten durch. Dabei werden drei Formen unter-schieden: wandernde Aufsichten, stationäre Aufsichten und persönliche Aufsichten. Die Entscheidung, ob eine persönliche Pausenaufsicht benötigt wird, betrifft Schüler*innen mit dem Förderschwerpunkt W+E. Hierbei handelt es sich um eine pädagogische Entscheidung. Ziel ist es, die Kinder und Jugendlichen in ihrer Autonomie zu stärken.

Hier erhalten Sie das pädagogische Konzept der Paula-Modersohn-Schule als PDF-Datei inkl. Links zu ausgewählten Veröffentlichungen und Filmberichten zur Arbeit der inklusiven „Paula“.